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Die vesuvianischen Villen
von Jeff Matthews frei übersetzt von Daniele Friedrich D'Anna
ville vesuvio 2Anfang des 18. Jahrhunderts bestand die östliche Stadtgrenze aus einer regelrechten Stadtmauer ungefähr dort, wo sich heute der rote Glockenturm der Kirche San Carmine befindet bis zur gleichnamigen Festung in via Marina. Bevor es Züge und Autobahnen gab, begab man sich ab der Stadtmauer auf die abenteuerliche und risikoreiche Strasse, entlang der Küstenlinie über die Abhänge des Vesuvs, eben dem neapolitanischen Golf folgend bis nach Torre Annunziata. Die „Kalabrische Strasse“ war viele Kilometer lang und zog sich von der Stadt Neapel über Torre Annunziata bis zur Halbinsel Sorrent, wo sie nach Süden schwingt. Die ganze Gegend war weitgehend unbewohnt. Die frühere spanische Besiedlung des 16. und 17. Jahrhunderts begann in in einer anderen Richtung, nämlich im Westen.

Aber das änderte sich alles mit der Bourbonischen Dynastie im Jahre 1738 als König Karl III. mit dem Bau der ersten seiner vier königlichen Villen in Portici auf den Hängen des Vesuvs etwa 10 Kilometer entfernt von Neapel begann. Damals war die Gegend stark bewaldet und der Boden äusserst fruchtbar. Man konnte auf Capri, Ischia und Procida sehen; die seit kurzem entdeckten Ruinen von Herkulaneum hatten an gewissem Charme gewonnen und sogar der leicht rauchende Krater des Vulkans schien vielleicht eher merkwürdig als er es in Wirklichkeit war. (Verständlich in einem Zeitalter, in dem man wenig über explodierende Vulkane wusste.) Um es kurz zu machen, es war ein sehr schöner Platz, um eine Villa zu bauen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts folgten viele Mitglieder des Hohen Adels der königlichen Familie in dieser Denkungsweise und eröffneten diese Gegend mit einer Reihe von Sommersitzen und grossen Villen. Die Villen, Gärten, Parks, Brunnen, Torbögen und Terrassen waren das Werk der besten Architekten seiner Zeit: Vanvitelli, Fuga, Vaccaro und Sanfelice. Diese ausgefallenen Bauwerke waren so spektakulär, dass dieser Strassenabschnitt ausserhalb von Neapel die goldene Meile genannt wurde – il Miglio D’Oro.

Heute werden die damaligen Sommersitze die „Vesuvianischen Villen“ genannt. Genaugesagt werden 121 unter diesem Begriff genannt und allgemein als kulturelles Erbe definiert. Es entstand ein Gesetz im Jahre 1971, nachdem ein Gründungsverein entstand, der die Aufgabe hatte, die Villen vor erneuten Zerstörungen zu schützen, wie es in den vorhergehenden 250 Jahren geschah. In dieser Zeit, nämlich 1839, wurde die ersteEisenbahnlinie Italiens gebaut, genau entlang der alten „Calabrischen Strasse“. Demzufolge wuchs die Industrie, der Wirtschaftshafen entwickelte sich, dann gab es die Bombardierungen des zweiten Weltkrieges. In der Nachkriegszeit haben die ungebremste und katastrophale Landspekulation und der extreme Bauboom diese Gegend zur dichtest besiedelten Europas gemacht.

Was heute zu retten lohnt, wird in einem Buch, 1957 verfasst, erwähnt: Le ville vesuviane del settecento (Die vesuvianischen Villen des 18. Jahrhunderts) von Roberto Pane der Universität von Neapel für Architektur. Aufgrund dieser Veröffentlichung entstand eine Vereinigung zum Schutz der Villen von der Regierung des italienischen Staates, der Regierung des Landes Kampanien und der Stadtregierungen der Städte Portici, Ercolano, San Giorgio a Cremano, Torre del Greco und Torre Annunziata, die fünf Städte entlang der alten Küstenstrasse.

Wie kann man eine Besichtigungsprogramm gestalten, wie sehen die Villen aus? Ich nahm also einen Bus und fuhr hinaus aus der Stadt. Ich war mir nicht sicher, was mich erwartete. Im Innersten meines Herzens wünschte ich, in die Scenen des Magiers von Oz versetzt zu werden, wo Dorothee die Tür ihres vom Tornado zerstörten Hauses öffnete und nach Oz ging. An dieser Stelle ging der Film von mattem schwarz-weiss in volle Farben über. Ich überkreuzte die magische Linie (rechts neben der Autobahnüberführung nahe der rostigen Ölraffinerie und den Müllbrennern) und verliess den Bus an der ersten Haltestelle in San Giovanni a Teduccio. In einem Augenblick würde sich der Dreck der Jahre auflösen und die breite Kalabrische Strasse und würde sich entlang strecken bis zur grossen Südsee. Es würde alles in Technicolor sein und- hier würde ich Violinen vorschlagen- würde ich meine Entdeckungsreise anfangen. Ich würde den Vesuv rauchen sehen und Goethe würde seine Bemerkungen entlang der Strasse aufschreiben- oder eventuell könnte Goethe im Hintergrund rauchen und der Vesuv schreibt die Bemerkungen auf . Irgend so etwas. Ein freundlicher Fahrer hält an und nimmt mich mit zur königlichen Villa wo der wohlwollende Monarch und seine liebliche Gemahlin Maria Amalia mich willkommen heissen würden, mir zu essen geben würden und dann ihr Hund, Attila, ein 300 Pfund schwerer neapolitanischer Mastino, mit mir scherzen und spielen würde. ( Notiz für mich: Die letzte Scene benötigt eine Überarbeitung.)

Nachdem ich mich gemässigt habe, wird mir klar, dass die Kette der 121 Sitze in der im Osten nächstliegenden Gemeinde von Neapel in San Giovanni a Teduccio anfängt. Der letzte ist in Ercolano. Im allgemeinen, je weiter man von Neapel wegkommt, um so besser erhalten findet man noch einen Sommersitz. In San Giovanni findet man die Villen nur noch in Anführungszeichen. Es handelt sich nur noch um Strassenadressen. Einige sehen sehr vernachlässigt aus und überhaupt keine ist bemerkenswert. Die ganze Strasse ist unglaublich verbaut. Man hat den Eindruck, dass man auf das Dach des ersten Gebäudes klettern könnte und dann die ganze Entfernung kilometerlang von einem Dach zum anderen gehen könnte, ohne einmal den Boden berühren zu müssen.

Derweil hat man eine Reihe von Villen in Portici und Ercolano restauriert. Darin befinden sich Kulturzentren und Residenzen. Unter ihnen ist eine, die gar nicht schlecht aussieht, sie ist ein voll funktionierendes Apartmenthaus. Das erste Projekt, das zu entdecken ist, ist die Villa Campolieto in Ercolano. Die Villa wurde 1755 gebaut und war ein bedeutendes Projekt von Vanvitelli. Es wurde von der Vereinigung Vesuvianische Villen im Jahre 1978 erworben und restauriert und im Jahre 1984 als Mittelpunkt des ganzen Projekts eröffnet. Eine weitere restaurierte Villa ist die Villa Ginestre, das Heim des grössten italienischen Dichters der Romantik Giacomo Leopardi. Ein Bauwerk, das noch vor der Ankunft der Bourbonen entstand, befindet sich auf den Abhängen des Vesuvs von Ercolano und ist ein Anziehungspunkt für diejenigen, die auf einer literarischen Route in Süditalien gehen. Ebenso wurde fälschlicherweise eine der anderen Villen in Portici Bourbonische Villa genannt- überhaupt ist sie Die Villa. Sie steht da wie ein Koloss, rittlings zur alten Strasse und seit sie die Wissenschaften der Agrikultur der Universtät von Neapel beherbergt, ist sie in gutem Zustand.

Ich möchte mich für eine stufenweise Restaurierung für diejenigen Objekte einsetzen, die sich lohnen, restauriert zu werden und sie seinem Eigentümer zurückführen in einer Gegend, die schon mit Dingen von grösstem Interesse ausgestattet ist.
Die nahegelegenen archeologischen Orte von Pompei, Herculaneum und Oplontis sind schon auf der Liste des Welterbes der Unesco. Hier finden sie das schönste historische Eisenbahnmuseum der Welt. Die Anlagen der Bourbonischen Villa enthalten einen wissenschaftlich bedeutenden botanischen Garten. Ebenso befindet sich der Nationalpark des Vesuvs in nächster Nähe.
29/5/2006